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Sonntag, 8. Januar 2012

Radiostücke aus Island

Vergangenen August war ich in Island, um verschiedene Geschichten zu recherchieren. Hauptsächlich ging es dabei um die Vulkane des Landes, und die Frage, welcher als nächstes ausbricht. Hekla? Katla? Ein Schlot unter dem Vatnajökull?

Aus dem Material sind bisher unter anderem zwei Radiobeiträge entstanden, die im September und im November zu hören waren und noch immer nachhörbar sind: 

Das Projekt Carbfix erforscht, wie sich Kohlendioxid als Feststoff speichern lässt. Dabei wird überkritisches CO2 in Wasser gelöst und mit Basaltgestein in Reaktion gebracht. Dabei kristallisiert Calciumcarbonat aus. Die Methode könnte eine Alternative zur umstrittenen CCS-Technologie darstellen. 

Gletscher verhindern in Island den direkten Blick auf die Vulkane darunter. Wenn sich so eine Eiskappe auf heißem Pflaster bewegt, entstehen bisweilen gewaltige Gletscherfluten. Aus deren Wasser können Geochemiker lesen, ob sie tatsächlich von einem Vulkanausbruch verursacht wurden - oder, ob es lediglich aus freibrechenden Seen unter dem Eis stammt.

Sonntag, 16. Oktober 2011

In Fetzen

Er steht auf. Geht ein paar Schritte und sagt dann: Schön ruhig hier. Ich blicke auf. Aktenkoffer, graues Jackett, dunkle Hose. Bis eben saß er auf der Nachbar-Bank, vielleicht zehn Minuten lang. Jaja. - Bist du auch allein da? Er versucht ein Lächeln, zögert kurz, um vielleicht doch noch länger zu bleiben. - Nee, ich warte auf jemanden. Lass mich mal bitte eben allein in meiner Blase, setz ich im Stillen hinzu. - Wirklich schön ruhig hier, sagt er noch einmal und dreht sich dabei um. Er geht quer über die Wiese, aus dem Schatten in die Sonne. Was war das denn, denk ich noch, bevor ich mich wieder dem Telefon widme. Schöne neue Welt. Alles, worauf ich warte, bin ich selbst und dass drei Sätze endlich in ein Schema passen. 140 Zeichen für „Audur Ava Olafsdottir sagt: Ich nutze jede freie Zeit zum Schreiben, jede Kaffeepause und selbst die 20 Sekunden Wartezeit an der Ampel. Auf die perfekte Eingebung zu warten, ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann.“ Audur Ava Olafsdottir sagt 81 Zeichen zu viel.

Das letzte Grün im Jahr, die sinkende Sonne und ausufernde Parkwiesen. Mit dem Kopf im Nacken sind es 360 Grad Baumkrone. Eine dunkelgrüne Bordüre am Rand einer blassblauen Kuppel. Über ihre Decke ziehen weiße Schlieren und ein Flugzeug. Das Rauschen mischt sich mit dem Straßenlärm, hinter den Bäumen ist die Autobahn, Joggerschritte kratzen rhythmisch über den Kies. Jemand hat sein Rad auf dem Grün drapiert, gut sichtbar für alle. Er steht daneben, die Hände gegen die Herbstluft in den Taschen, als würde er mitten auf der Wiese seine Verabredung erwarten. Du erkennst mich am Fahrrad, lass es das Zeichen sein.

Diese Straße kenn ich nicht. Erst das Ende ist vertraut. Esprit und Kaufhof blinken mir entgegen. Ab dort weiß ich den Weg. Dazwischen schlängeln sich Massen, ein menschlicher Strom aus Jacken, Schals und Winterschuhen. Ich will nicht, denke ich und klammer mich an meine Tasche, zu viel, zu viel. Zwischen den Platanen ist immer eine Schneise, ich schwimme zu dieser Sandbank im Körpermeer, hab sie fast erreicht, als: Entschuldigen sie, wo ist denn hier der Levis Store? - Was? - Der Levis Store. - Keine Ahnung, soll der hier sein? - Ja, an der Hauptwache, es ist wegen der Glamour Shopping-Week. Glämma, denk ich, aber sie spricht es aus wie Glämmor. - Und wissen sie, wo der Buffalos-Laden ist? - Nein. Buffalos-Laden? Sowas gibt's? - Der soll hier auch irgendwo sein. - Tut mir leid. - Trotzdem danke. Sie verabschieden sich und werden sofort wieder zum Teil der Menge, grau und schwarz und braun, perfekt untergetaucht. Ich will hier weg.


Donnerstag, 11. August 2011

Brückenkunst

Ein Nachtrag zum Wochenende. 

Rollei-Knipse, Photoshop

Open Air Gallery auf der Oberbaumbrücke. Anti-Biermeile. 

Freitag, 5. August 2011

Alle meine Mädchen

Bei Air Berlin wird man schon kurz nach eins mit "Guten Morgen" begrüßt. Ich bin müde, hungrig und zufrieden. Wann sagt eigentlich jemand den Stewardessen, dass ihr Ansage-Singsang über geschätzte drei Oktaven alles andere als wohlfühlend ist. "Ich hasse sie" geht jetzt die Ansage, ach nein, es wird zu "Ich heiße sie". Herzlich Willkommen an Bord.

"Der Hund will nie in die Box, aber Plastiktüten funktionieren wunderbar!" Anna gab mir den Tipp, den Rucksack zwischen Wiegen und Einchecken zum Schutz in blaue Müllsäcke zu verpacken und die mit Klebeband zu fixieren. Und: Mit dem Klebeband stabile "Henkel" zu basteln, damit die Gepäckleute wissen, wo sie das Ding anpacken können.
Während der Gepäckrückgabe in Tegel stoppte das Band, nachdem drei Viertel aller Gepäckstücke ausgegeben waren. Ich stand nah an der Trennwand und konnte hören, was sich die Packer zuriefen: "Nee, hier kiek doch mal! Da sind doch so ne Dinger dran! Probier ditt mal!" - und kurz darauf kam auch mein blaues Plastikmonster aufs Band. Hm... 
Vor fast 24 Stunden hab ich Island verlassen. Dieser Tag hatte für mich 22 Stunden, davon eine im Schlaf? Zwei? Wenn ich mich irgendwo hinsetze, kann es passieren, dass ich nicht mehr aufstehe. Zum Beispiel im Flur auf dem Boden in der Wohnung meiner Eltern, wo ich den Schlüssel zu meiner Wohnung gefunden habe. Nicht etwa in einem meiner Rucksäcke, wie es optimalerweise der Fall gewesen wäre. Was hab ich für ein Glück, dass Jule auch um acht Uhr morgens auf die Türklingel reagiert!

Nachdem daheim mein Rucksack explodiert ist, sieht es in meinem Zimmer jetzt ähnlich aus wie in Villi Knudsens Schneideraum. Ich hoffe, dass das nicht auch zum permanent state of chaos wird. Ein Wunder, dass der Wäscheständer noch nicht in die Knie gegangen ist. Um ihn und dem Rest kümmere ich mich morgen, wenn ich mein nächstes Projekt starte: Pflaumenkuchen. Aus den Pflaumen, die ich heute mittag mit meiner Schwester und zwei Freundinnen gepflückt habe.

Und Johannisbeeren!
Hinterher traf ich mich mit Steffi, die mich Stephan vorstellte - der mir heute noch die Haare geschnitten hat. Und eine Probesträhne gefärbt. Die ist rot, der Rest solls auch werden. Der Haarschnitt... vor zwei Wochen noch war ich ganz wild darauf, sie (relativ) richtig kurz zu schneiden, 15 cm, strubbelig. Und jetzt... sind mir doch Bedenken gekommen und sie sind erstmal zwar kürzer, aber richtig gut geschnitten. Argh, ich muss darüber schlafen, endlich mal! Lang, kurz? Kurz, lang?

Oder doch lieber kurz? Und doch lieber ein kaltes Rot? Das beschäftigt mich. Und der Pflaumenkuchen. Und dann sind da ja noch diverse Texte, Geschichten und Manuskripte, die auf mich warten... Projekte, Projekte!

Ich kenne noch jemanden, der ständig auf fünf Hochzeiten gleichzeitig tanzte. Er sich mit all seinen Vorhaben so sehr verrannt, dass er jetzt gegen die Windmühlen des unorganisierten Chaos kämpft. Womöglich wird meine Geschichte über ihn ein Plädoyer für das Abbrechen.

Übrigens wähle ich meine Schuhe immer nach dem Obst aus, das ich an diesem Tag pflücken werde
Ich werde weiter hier bloggen, diesmal aus der Heimat. Ich hoffe, in ähnlicher Regelmäßigkeit. Schließlich ist in dieser Island-Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen! Und außerdem macht mir die Bloggerei Spaß, ob mit oder ohne Comics. Btw - vielleicht kommen ja auch davon mal wieder welche... das ist ja schließlich auch noch so ein Projekt.

Donnerstag, 4. August 2011

Im Land von Skyr und Lakritze

Kann man sich eigentlich mit Phosphor vergiften? Denn ich geh mal davon aus, dass "Fosfór" die entsprechende Vokabel ist. Dann habe ich in den letzten Tagen meinen kompletten Tagesbedarf an Phosphor mit Skyr gedeckt. Laut Nährwertangaben haben 100g von dem Zeug 138mg Phosphor in sich, was 17,2 Prozent der empfohlenen Tagesration entspricht.

Skyr ist wie eine Mischung aus Quark und Joghurt und ich werde es wieder einmal vermissen. Leider kann man das Zeug ja schwer im Flugzeug transportieren... Lakritze hält da mehr aus. Deshalb sind jetzt sämtliche Zwischenräume in meinem Rucksack damit gefüllt. Noch etwas, das ich vermissen werde - wenn man da auch noch in Deutschland leichter rankommt.

Was ich auch vermissen werde, ist der tägliche Blick durch das Küchenfenster auf den Snaefellsjökull. Den Meer-Geruch beim Joggen. Die Joggingstrecke überhaupt! Das Softeis. Die klare Luft. Und irgendwie auch den komischen Geschmack des Leitungswassers. Wahrscheinlich wird gerade dadurch der Kaffee hier so gut?

In den letzten Tagen ging es bei meinen Recherchen noch einmal ziemlich rund. Ich glaube, ich hab jetzt alles zusammen. Es war sehr gut, dass ich hier gewesen bin - ohne dem hätte ich die Einblicke niemals kriegen können! Was mir jetzt noch fehlen sollte, kann ich mir auch von daheim aus raussuchen. Und ich kenne jetzt die Personen, die ich zur Not ansprechen muss.

Heute habe ich noch eine kleine Geschichte recherchiert, die ebenfalls mit Vulkanen und Touristen zu tun hat: Ich habe den Typen getroffen, der sehr erfolgreich T-Shirts mit Vulkan"sprüchen" produziert - wie "which part of Eyjafjallajökull don't you understand?" und zudem Vulkanasche in Gläsern verkauft. Ich hoffe, ich krieg die Geschichte irgendwo unter - sie ist ziemlich witzig, glaub ich!

In zehn Minuten holt mich Adrian mit dem Auto zum Flughafen ab. Er fährt dorthin, weil zufälligerweise seine Eltern heute und zur genau passenden Zeit ankommen! Um 1.45 Uhr Ortszeit geht mein Flieger - und um 6.45 Uhr Ortszeit komm ich nach drei Stunden Flug an. Die perfekte Zeit, um in den Tag zu starten =___= Um es mit Björk zu sagen: I am leaving this harbour... Denn weder Katla noch Hekla sind letztendlich noch ausgebrochen. Tschüss Reykjavik!

Tschüss Snaefellsjökull!

Dienstag, 2. August 2011

Frau und Schuhe

Achtung: Kein Frustkauf!
Ich sah sie das erste Mal im Fenster von Manía, einem Schuhladen auf der Laugarvegur. Sie gefielen mir auf Anhieb, obwohl mein zweiter Gedanke war, dass sie viel zu hoch wären! Und der dritte: Aber probieren kann ich es ja trotzdem mal. Und sie liefen sich überraschend gut! Nachdem gestern ein isländischer Feiertag war, hab ich mein Vorhaben heute wahr gemacht (und das letzte Paar in meiner Größe bekommen...). Ein schönes Andenken, denn was bringt man sonst aus Reykjavik mit, wenn nicht Schuhe, is klar... 12 cm Absatz, 3 cm Plateau. Makes me 1,82 now.

Die taube Nuss

You see, there have been several journalists here until now. And nobody asked the questions you did. Das sind ziemlich komische Fragen. Ich weiß nicht, wofür du die Informationen brauchst. Was soll das für ein Artikel werden? Er nimmt einen großen Schluck Wasser und stellt das leere Glas hastig vor sich ab. Er kneift die Augen zusammen. Ich weiß, man könnte meinen, ich wäre ein Spion oder von der Konkurrenz oder so. - Ja, das kommt mir alles sehr komisch vor, sagt er misstrauisch und sieht mich an, als würde er einen Beweis auf seine Vermutung in meinem Ausdruck suchen.

Ich bin nicht da, um einen Reisebericht zu schreiben. Ich will nicht nacherzählen, wie Leute ihr eigenes Business schön reden. Das ist nicht meine Aufgabe. In den letzten Tagen habe ich einiges in Sachen Fragetechnik und Einfühlungsvermögen gelernt. Der Termin heute morgen war ein ziemlicher Kantenritt.

Spooky Arbeitsplatz
Gestern habe ich mich nun schon zum dritten Mal mit Villi Knudsen getroffen. Meine anfängliche Euphorie ist mittlerweile ziemlicher Ernüchterung gewichen. Scheinbar ist am Ende einer Reportage-Recherche wirklich nichts so, wie es am Anfang schien! In diesem Fall hat es sich jedenfalls ganz und gar nicht zu dem entwickelt, was ich mir vorgestellt habe.

Die Ergebnisse sind witzig und überraschend, jedenfalls für mich. Das kann ich mittlerweile sagen. Gestern war ich am Ende des Tages noch so voll Wut, dass ich in der Nacht sechs Seiten voll mit Notizen gekritzelt habe, bis mir die Hand brannte und die Augen zufielen.

In den letzten Tagen habe ich meine bisherigen Aufnahmen der Recherche abgehört und mir über meine eigenen Fragen die Haare gerauft. Kein Wunder, dass da nichts rauskommt! Hätte ich mich manchmal am liebsten selbst angeschrieen, und noch lauter hätte ich schreien können, als ich gestern beim vorerst letzten Interview-Termin saß, um die Sachen festzuklopfen, die mir so zweifelhaft erschienen.

Phew, calm down!
Immerhin kann ich sagen, dass ich all die Einblicke, die ich hier bekommen habe, nie hätte gewinnen können, wenn ich von daheim aus recherchiert hätte. Diese Reise ist ein enormes Lehrstück für mich, in jeder Hinsicht. Die letzten Tage nutze ich, um Wissenschaftler zu treffen und mich noch mehr mit Vulkangeschichten zu befassen.

Seit ein paar Tagen führe ich ein Recherche-Tagebuch (ziemlich erfolgreich, ehem...), ein sehr großes Hilfsmittel - und schönes Andenken, natürlich. Selbstgemacht! Ich musste es kaufen. Es lag in einem Laden in der Laugarvegur, der Haupteinkaufsstraße hier, und lachte mich mit eben diesem Zitat an, das mir seit ein paar Tagen im Kopf herumschwirrt.

        
All work and no play makes me a dull girl        ...und so siehts von innen aus
Nur noch zwei Tage, eigentlich! Am Freitag in aller Früh geht es wieder zurück. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass mir hier fast die Hand vom Schreiben abfällt. Und vielleicht wird ja meine Zeit doch noch unfreiwillig verlängert - wenn doch noch ein Vulkan ausbricht...